Was taugt die 20-Euro-Überwachungskamera?

Eine Netzwerkkamera mit voller HD-Auflösung für den Außenbereich mit Nachtsichtfunktion zu einem Preis von 19,99 Euro? Tatsächlich gibt es gab es diese Kamera bei Amazon* zu kaufen. Wer einen Prime-Account* hat hatte, der kann dort das Schnäppchen sogar versandkostenfrei bestellen. Allerdings mutet der Preis angesichts der angeblichen Leistungen der Kamera ausgesprochen niedrig an. Trotz unserer Skepsis, der Preis war zu verlockend. Also bestellten wir uns die H.View HD2* und waren gespannt, was die Kamera zu leisten vermag.

Ordentliche Verarbeitung

Zu unserem Erstaunen war die weiße IP Kamera ordentlich verarbeitet. Als Wetterschutz gibt es eine kleine Überdachung am Gehäuse und die Wandhalterung lässt sich zur besseren Montage abnehmen. Wer schon IP-Kameras mit fester Halterung angebaut hat, wird das zu schätzen wissen. Auch die beiliegende zusätzliche Wasserschutzkappe ist nicht selbstverständlich und soll das Eindringen von Wasser in den gesteckten Netzwerkstecker verhindern. Das ist praktisch aber nur selten nutzbar. Denn die Schutzkappe lässt sich bei vielen vorkonfektionierten Kabeln über den LAN-Stecker ziehen. Sie ist wohl eher für den Einsatz bei selbst gepatchten Kabeln gedacht und muss vor dem Aufpressen des Steckers schon aufgesteckt werden. Wie bei den IP-Kameras üblich gibt es eine kurze Kabelpeitsche an der Kamera mit einer LAN-Buchse und dem Stromanschluss. Die Kamera muss mit einem 12-Volt-Netzteil versorgt werden, welches im Lieferumfang allerdings nicht enthalten ist.

Dokumentation Mangelhaft

Bedienungs- und Installationsanleitungen sind bei der Kamera hingegen eher mangelhaft. Es wird zwar grob die Installation beschrieben, wer aber noch nie eine IP-Kamera eingerichtet hat, wird schnell an seine Grenzen stoßen. Zusätzlich liegt noch eine CD bei. Diese enthält unter anderem ein Tool zum Aufspüren der Kameras im Netz und eine recht brauchbare Steuersoftware für den PC. Dort können mehrere Kameras aufgeschaltet und somit ein handelsüblicher PC zur Überwachungszentrale aufgerüstet werden. Ein Pferdefuß bei der Installation der Kamera ist zweifellos die Einbindung ins heimische Netzwerk. Je nach Konstellation bereitet dies Anfangs einige Schwierigkeiten.

Problem: Feste IP

H.View hat der HD2 nämlich eine feste IP verpasst. Diese lautet 192.168.1.168. Nur wenn das heimische Netzwerk auch in der IP-Range 192.168.1.xxx liegt, wird die Kamera sofort erreichbar sein. Ist dies nicht der Fall, muss zuerst die Range kurzzeitig angepasst werden. Das erfordert ein wenig PC-Kenntnisse. Wir nutzen hierfür am liebsten ein kleines Notebook. Dort kann man sich dann im Browser unter Eingabe der festen IP einloggen (Nutzer: Admin, Kennwort: Leer) und der Kamera eine feste IP im richtigen Netzwerk geben. Nach dem anschließenden Neustart sollte die Kamera dann im eigenen Netzwerk erreichbar sein und kann montiert werden.

Passwort vergeben

Wir empfehlen dringend, dem Nutzer admin ein Passwort zu vergeben. Das sollte grundsätzlich geschehen, selbst wenn die Kamera nicht außerhalb des eigenen Netzwerks erreichbar sein soll. Ist dies alles geschehen, kann die Kamera an den gewünschten Platz angebracht und verkabelt werden. Als äußerst nützlich haben sich dabei passive Power over Ethernet-Adapter* erwiesen. Diese Adapter werden am Anfang und Ende des Netzwerkkabels aufgesetzt und mit dem Netzteil auf der einen und der Kamera auf der anderen Seite verbunden. Der Vorteil: Es muss nur ein Netzwerkkabel und kein zusätzliches Stromkabel verlegt werden. Wer ein wenig bastelerfahren ist, kann sich eine solche Stromversorgung über das Netzwerkkabel aber auch einfach selber bauen.

Mit solchen Stromadaptern erspart man sich das Verlegen eines zusätzlichen Kabels zur Stromversorgung der Kamera

Im Betrieb

Blick auf die Weboberfläche. Die Bildqualität der Kamera kann sich durchaus sehen lassen.

Nachdem die Kamera installiert und verkabelt wurde, interessiert uns natürlich die Bildqualität. Diese ist einwandfrei und wir waren von der wirklich guten Auflösung positiv überrascht. In der höchsten Stufe liefert die Kamera wirklich volle HD-Auflösung (1980 x 1080 Bildpunkte). Aus Perfomancegründen kann die Auflösung aber auch heruntergesetzt werden. Das ist vor allem dann sinnvoll, wenn mehrere Kameras über einen älteren Switch laufen sollen, der noch nicht Gigabit-fähig ist. Ein zweiter Kanal bietet eine deutlich geringere Auflösung beispielsweise für den mobilen Empfang mit dem Smartphone an. Sowohl das Einbinden der Kamera in die mitgelieferte Steuersoftware als auch die Wiedergabe über den Webbrowser klappt einwandfrei. Das Bild der Kamera ist im Auslieferungszustand auch nur lokal erreichbar. Ein versehentliches Streamen ins Internet brauchen Sie also nicht zu fürchten. Um auch von unterwegs auf die Kamera zugreifen zu können, empfehlen wir das Einrichten einer VPN-Verbindung. Das bringt die höchste Sicherheit. Natürlich ist auch die Portfreigabe möglich. Dort müssen Sie sich aber im Klaren sein, dass jeder auf der Welt Zugriff auf die Anmeldeseite und den (passwortgeschützten) Stream hat. Ein Grund mehr für ein sicheres Passwort. Auch die Nachtsichtfunktion der Kamera kann sich sehen lassen. Wird es dunkel, schalten sich automatisch die Infrarotdioden an und es ist ein guter Geländeüberblick in Schwarz-Weiß möglich. Selbstverständlich darf man hier nicht die Qualität eines Tageslichtbildes erwarten, aber zur Überwachung und Kontrolle ist es vollkommen ausreichend. Über gängige Apps lässt sich die Kamera auch leicht auf Smartphones einbinden, da diese voll ONVIEV-Kompatibel ist. Leider scheint die Kamera aber keine MJPEG-Streams zu liefern, sondern nur H.264 über RTSP. Das ist ein Nachteil, weil dadurch die Streams nur in spezielle Apps mit RTSP-Unterstützung eingebunden werden können. Ebenso ist dadurch leider eine zusätzliche Einbindung in das Alarmsystem XT2 Plus von Lupus electronics nicht möglich, da auch hier keine RTSP-Datenströme verarbeitet werden. Auch als Webcam eignet sie sich nicht, denn auch dort bräuchten wir einen http-kompatiblen Datenstrom.

Beim Datenstrom kann die Auflösung bei Bedarf auch reduziert werden. Das ist vor allem bei fehlenden Gigabit-Netzwerken sinnvoll

Ausstattung

Im erweiterten Menü gibt es zwar einen Eintrag “record”, allerdings gibt es beim Anklicken nur eine Fehlermeldung

Bisher liest sich der Artikel, als ob es tatsächlich für nur 19,99 Euro ein echtes Schnäppchen zu kaufen gibt. Das ist in der Tat so, denn preiswerter haben wir bisher noch keine IP-Kamera finden können, nicht einmal bei Direktbestellung in China. Einige Abstriche muss der Käufer aber dann doch akzeptieren, allen voran das fehlende WLAN-Modul. Unsere Kamera eignet sich also ausschließlich zum Betrieb mit einem Netzwerkkabel. Auch auf umfangreiche Aufnahmefunktionen (zum Beispiel automatische Snapshots per FTP oder Bewegungserkennung) müssen Sie verzichten. Die Kameras eignen sich in erster Linie also zur reinen Objektüberwachung und bieten hierfür eine sehr gute Auflösung.

Stromverbrauch

Das fehlende WLAN-Modul hat aber auch einen Vorteil. Der Stromverbrauch der Kamera liegt in sehr erträglichen Bereichen. Etwa 1,6 Watt im Normalbetrieb zeigt unser Energiekostenmessgerät an. Durch die Infrarot-LED steigt dieser im Nachtsichtmodus auf etwa 4,2 Watt an. Das ist moderat und erlaubt den gleichzeitigen Betrieb von 4-5 Kameras an einem guten 12-Volt-Netzteil (2 A) problemlos aus.

Fazit

Wer eine Überwachungskamera ohne Schnickschnack sucht, kein WLAN benötigt und auf ein paar Komfortfunktionen verzichten kann, bekommt mit der H.View HD2 eine durchweg empfehlenswerte Kamera. Der Preis ist wirklich ausgesprochen günstig. Zuerst vermuteten wir, dass die Geräte direkt aus China verschickt werden. Dem ist aber nicht so – die Prime-Lieferung erfolgte am nächsten Werktag. Wir sind für unsere Ansprüche mit der Kamera voll zufrieden und setzen diese erfolgreich als Überwachungskamera im Außenbereich ein. Allerdings muss sie noch ihre Regen- und Frostbeständigkeit im anstehenden Langzeittest unter Beweis stellen. Besonders bei Feuchtigkeit hatten wir hier schon teilweise schlechte Erfahrungen mit IP-Kameras aus China sammeln müssen.

Von uns jedenfalls eine klare Kaufempfehlung.

Vorteile:

  • Unschlagbar günstiger Preis
  • Volle HD-Auflösung
  • Gute Verarbeitung
  • Leichte Montage

Nachteile:

  • Kein WLAN
  • Einrichtung aufgrund fester IP etwas umständlich
  • Datenstrom nur H.264 via RTSP; kein MJPEG über HTTP
  • Keine automatischen Aufnahmefunktionen (FTP etc.)
  • Fernzugriff benötigt Einrichtungskenntnisse

Kaufempfehlung, Preis-Leistungsverhältnis sehr gut

Links

Kamera beim Hersteller

Herstellerseite bei Amazon*

(*) gesponserte Links

Bildquellen

  • HView_CAM2: Bildrechte beim Autor
  • Stromadapter: Bildrechte beim Autor
  • HView_Web_Livebild_Tag: Bildrechte beim Autor
  • HView_Setup: Bildrechte beim Autor
  • HView_Fehler: Bildrechte beim Autor
  • HView_CAM1: Bildrechte beim Autor
  • HView_Einstieg: Bildrechte beim Autor

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